Warum diese Welt Knabenchöre braucht. Kommentar

– den Neuer Knabenchor Hamburg insbesondere und warum der FC St. Pauli keine Konkurrenz ist. Ich bin, obwohl ein lausiger Fußballer, ein in der Wolle tief gefärbter Fan des FC St. Pauli. Eines Vereins, der seine Anhänger immer wieder durch Höhen und Tiefen führt, geführt hat und führen wird. Und ich bin ein in der Wolle gefärbter Anhänger des «Neuer Knabenchor Hamburg». Genau so, wie mit dem FC St. Pauli, bin ich mit dem Neuer Knabenchor durch Höhen und Tiefen gegangen. Es begann in einer Tiefe, für mich persönlich in einer tiefen sehr tiefen Tiefe. Schmerzhafte Trennung vom «Mutterschiff» am Klosterstern, wo ich, *1961 seit 1969 gesungen hatte. Aber es ging sehr schnell in ungeahnte Höhen. Dank der Jugendmusikschule unter der Leitung von Wolfhagen Sobirey und dank Brigitte Siebenkittel.

Natürlich auch dank ihres Mannes Frank Siebenkittel, der Duldsamkeit von Andrea Siebenkittel, deren Kindheit vom Knabenchorkalender geprägt wurde. Und auch dank der ehrlichen Energie unserer Eltern, stellvertretend möchte ich hier Herrn und Frau Pastorin Hübbe, oder Anne Drower, die uns die roten Pullover aus den USA besorgte, Herrn und Frau Obedini, Herrn und Frau Koss, Herrn und Frau Weber nennen.

Und es ist auch nur gegangen, weil Marc Fahning mir in unserem Dritten Jahr behutsam, bestimmt und zielorientiert das Ruder des Vereinsvorsitzenden aus der Hand nahm. Wir alle haben Marc Fahning sehr viel zu verdanken.

Ich könnte jetzt noch seitauf-seitab Namen nennen. Die Namen von Witta Pohl und Frau Scheffler. Alle jedoch, die nicht in dieser Jubiläumsschrift genannt werden, werden deshalb nicht geringer geschätzt.

Für jeden einzelnen brennt ein ewiges Licht in der Kathedrale unseres Knabenchors. Unser Knabenchor ist ein Gemeinschaftswerk vieler Hirne, vieler Stimmbänder, vieler Hände, vor allem aber vieler Herzen.

Was hat das nun mit dem FC St. Pauli zu tun? Auf den ersten Blick nichts. Auf den zweiten Blick sehr viel. Der Neuer Knabenchor Hamburg und der FC St. Pauli sind beides Institutionen, die für unsere Vaterstadt Identität stiftend sind und unserer Vaterstadt einen Add-On verleihen, auf den viele Städte neidisch sein können.

Beide haben eine langjährige Tradition, auf die sie aufbauen können. Beide sind Institutionen, die ohne Ansehen von sozialem Rang, sozialer Herkunft und ethnischer Zugehörigkeit Zugang gewähren. Man muss einen Ton gerade halten können, man muss Dinge auf den Punkt abliefern können, man muss einen Fußball gerade treten können. Dann spielt es keinen Rolle, ob man Grönländer ist oder ein Mohr, einer von der Elbchaussee oder vom Osdorfer Born.

Wir, der Neue Knabenchor Hamburg und der FC St. Pauli stehen für das weltoffene, das tolerante und das stolze Hamburg, welches seinen Stolz nicht dazu missbraucht, andere in ihrem Stolz und in ihrer Identität zu unterdrücken oder gar zu verletzen, ohne dafür falsche Kompromisse zu schließen. Deshalb können wir heute sehr stolz auf unseren Knabenchor sein. Ich zumindest bin es. Unser Knabenchor, hervorgegangen aus einer vielhundertjährigen Tradition hamburgischer Knabenchöre, wiederbelebt 1961 beim Norddeutschen Rundfunk durch Horst Sellentin, Max Thurn und Hans Schmidt-Isserstedt, fortgeführt an der Hauptkirche St. Nikolai am Klosterstern durch Werner Meyns, Horst Tschache, Jost Blachmann, Eckart Röder und Ekkehard Richter mit Brigitte Siebenkittel.

Heute liegt unser Knabenchor in neuen, jüngeren Händen, den Händen von Ulrich Kaiser, der ja mehr als jeder von uns, deutsche Knabenchortradition lebt und verkörpert. Er schickt sich nun an, unseren Chor in jüngere Hände zu geben. The bandwagon rides on. Und das ist gut so.

Liebe Knaben 2011,

Seid stolz und froh über unseren Knabenchor. Ihr tragt weiter, was wir alten Knacker begründet haben, als wir unwesentlich älter und weitaus naiver waren, als ihr es heute seid. Und es werden Euch die folgen, die das weiter tragen werden. The bandwagon rides on – Dass ihr dieses Erbe wohl verwalten werdet, dessen bin ich mir gewiss.

So schließt sich der Kreis meines Vergleichs zwischen Neuer Knabenchor Hamburg und FC St. Pauli. Ich schreibe bestenfalls noch als Alte Herren, ihr seid A-Jugend. A-Jugend ist die Versicherung für die Zukunft. Alte Herren verwalten alte Pokale, Alte Herren haben ihr Teil getan, A-Jugend kann noch, darf noch, muss noch.

In großer Dankbarkeit für zwanzig Jahre Neuer Knabenchor, schreibe ich dieses. Dieses Jubiläum gibt mir die Gewißheit, dass Knaben in Hamburg gesungen haben – Klar! – singen – Klarer! – und singen werden – am Klarsten! – denn eine Welt ohne Knabenchöre wäre eine arme Welt. Eine Welt ohne FC St. Pauli ebenso.